Einfach unberechenbar ist die
Gleitschneelawine
Gleitschneelawinen was ist das?
Typisch für eine Gleitschneelawine ist - wie der Name vermuten lässt - eine Gleitbewegung der Schneedecke. Eine solche Bewegung wird maßgeblich von der Bodenrauigkeit beeinflusst. Je glatter der
Untergrund, desto eher muss man mit dem Auftreten von Gleitschneelawinen im Steilgelände rechnen. So verwundert es auch nicht, dass Gleitschneelawinen typischerweise auf steilen Wiesenhängen oder
aber auf glattem (felsigem) Untergrund zu beobachten sind.
Durch die Gleitbewegung der Schneedecke reißt diese in der Zugzone auf. Es bilden sich Zugrisse - die allseits bekannten Gleitschneemäuler.
Ein Gleitschneemaul sagt in Folge allerdings noch nichts aus, ob die Schneemasse auch tatsächlich als Gleitschneelawine abgeht. Dies hängt von zahlreichen, meist schwierig zu wertenden Faktoren
ab. Entscheidend ist u.a. die Beschaffenheit der Grenzflächen zwischen Boden und Schnee. So gibt es einige allgemein gültige Feststellungen, die in der Praxis allerdings nur bedingt weiterhelfen.
Allgemeine Aussagen
- Freies Wasser bzw. ein dünner Wasserfilm an der Grenzfläche Boden/Schnee fördert die Gleitbewegung und in Folge die Abgangsbereitschaft von Gleitschneelawinen. Somit erhöht Regen die Wahrscheinlichkeit von (Gleitschnee-) Lawinenabgängen. Begünstigend ist auch ein frühes, massives Einschneien, da die Bodentemperatur relativ warm und der erwähnte Wasserfilm dadurch ausgeprägter ist.
- Mit zunehmender Gleitbewegung steigt die Wahrscheinlichkeit eines Lawinenabgangs.
- Gleitschneelawinen können zu jeder Tages- und Nachtzeit, am wärmsten, genauso aber auch am kältesten Tag eines Winters abgehen.
- Mögliche Gefährdungsbereiche für den Wintersportler können anhand der Gleitschneemäuler leichter erkannt werden!
Nie ohne Gleitschneemaul
Es besteht also unterhalb von Gleitschneemäulern immer ein gewisses Risiko, von einer Gleitschneelawine verschüttet zu werden, auch wenn dieses meist gering ist. Dennoch scheinen in der
Unfallstatistik hie und da auch tödliche Gleitschnee-Lawinenunfälle auf, so etwa während des vergangenen Winters 08/09 im Maurer- und Dorfertal in Osttirol.
Besser hat man es somit eindeutig in Bereichen, die an die Gleitschneemäuler seitlich angrenzen. Denn: Eine Gleitschneelawine bricht nie ohne Vorwarnung quasi aus dem Nichts - wie eine
Schneebrettlawine - ab. Dies hat wiederum unmittelbar mit dem völlig unterschiedlichen Anbruchmechanismus zu tun. Um darauf näher einzugehen, muss nochmals kurz etwas ausgeholt werden ...
Eine praxisnahe Lawinenklassifikation
Lawinen lassen sich in verschiedenste Kategorien unterteilen.
Die Palette reicht von der hochoffiziellen Einteilung der UNESCO (bebildeter internationaler Lawinenatlas) hin zu unterschiedlichsten, unsystematischen Untergliederungen in der Praxis. Was
auffällt: Die Gleitschneelawine als eigenständige Lawinenart wird - wenn überhaupt - meist stiefmütterlich behandelt. Im gerade erwähnten Lawinenatlas taucht die Gleitschneelawine beim Kriterium
der Anrissform auf: Neben der Lockerschneelawine, die punktförmig anreißt, wird die Schneebrettlawine mit ihrem typisch scharfkantigen Anriss erwähnt. In letzteres Kriterium fällt auch die
Gleitschneelawine.
Weiter Kriterien, die sich auf das Anrissgebiet, die Sturzbahn und die Ablagerung beziehen, sind für ein systematisches Vorgehen zwar wichtig und auch interessant, dennoch fehlt DER für die
Praxis entscheidende Faktor, nämlich die Unterteilung nach dem Anbruchmechanismus.
Was zählt, ist der Anbruchmechanismus
Vergleicht man die Schneebrettlawine mit der Gleitschneelawine, so fallen anfangs Gemeinsamkeiten auf: Die Neigung muss passen - typischerweise handelt es sich um Hänge, die steiler als 30°
abfallen.
Für beide Lawinen benötigt man eine Gleitfläche und für beide Lawinen muss der oberhalb der Gleitfläche lagernde Schnee gebunden sein. Nur so können Kräfte über größere Flächen hinweg übertragen
werden.
Der große Unterschied: Die Gleitfläche besteht bei der Schneebrettlawine aus Schnee.
Die Bruchfortpflanzung erfolgt über eine Schwachschicht. Bei der Gleichschneelawine hingegen gleitet die Schneemasse - wie schön erwähnt - unmittelbar am gewachsenen Boden bzw. auf festem
Untergrund ab. Dort existiert eine Schmierschicht, jedoch keine Schwachschicht, über die eine Bruchfortpflanzung möglich wäre.
Ist man machtlos?
Wie man sieht, gibt es für den Wintersportler nur ganz wenige hilfreiche Anhaltspunkte für die Entscheidungsfindung. Es stellt sich die Frage, ob nicht doch noch weitere Maßnahmen möglich sind, mit denen man das „Problem Gleitschneelawine" entschärfen bzw. deren Einschätzung erleichtern könnte?
Schneeprofile?
Die Aufnahme von Schneeprofilen unterhalb von Gleitschneerissen hilft dem Wintersportler deshalb nicht, weil es ja nicht um das Aufspüren von Schwachschichten innerhalb der Schneedecke geht. Zudem setzt man sich dort einem unnötigen Risiko aus.
Beobachtung der Gleitbewegung?
Dies ist ein probates Mittel für Lawinenkommissionsmitglieder, nicht aber für Wintersportler. Der Hintergrund: Die Gleitbewegung nimmt im Normalfall vor einem Abgang deutlich zu. Durch regelmäßige Beobachtung der Bewegung kann man den Abgangszeitpunkt etwas besser erraten.
Verbauungsmaßnahmen?
Diese helfen zu 100%. Der Schutz für den Wintersportler beschränkt sich dabei allerdings nur auf eventuelle Querungen unmittelbar unterhalb solcher Verbauungen .....
Conclusio
Das offensichtliche Kriterium für eine erhöhte Abgangsbereitschaft von Gleitschneelawinen stellt eindeutig die fortschreitende Durchnässung der Schneedecke dar. Die restlichen Kriterien sind mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Somit bleibt die generelle Empfehlung - wann immer möglich - Bereiche unterhalb von Gleitschneemäulern zu meiden bzw. einen entsprechend großen Respektabstand im Auslaufbereich dieser Lawinenart einzuhalten!